Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Bgld


Thematische Einführung

Mit der Burg Lockenhaus ist die populäre Legende, wonach es sich ursprünglich um eine Ordensburg handelte oder die Burg als Herberge und für geheime Kulthandlungen von Ordensrittern diente, untrennbar verbunden. Sämtliche Publikationen, Prospekte und Gemeindechroniken erwähnen unter Hinweis auf eine im Dunkel liegenden Historie der Festung, deren bauarchitektonischen Merkmale und Baugenese im Kontext von Ordenstätigkeiten der Johnanniter, Spitalsritter, Kreuzritter und insbesondere der Templer.

Demgegenüber bilden eine Reihe von historischen und dokumentierten Sachverhalten der im Kontext zur Burg stattfindenden Ereignisse im Mittelalter, sowie die erhalten gebliebene Urkundenlage die Grundlage, wonach es sich bei der Burg Lockenhaus - Castrum Leuka - um ein Bauwerk der mittelalterlichen Fortifikationsbemühungen an der westungarischen Nationsgrenze handelte.

Burgenkunde stellte sich der Aufgabe, nach Möglichkeit den historischen Sachverhalt aufzuklären und die These einer Ordensburg wie die nachweisliche Geschichte im Mittelalter einer allgemeinen Diskussion zuzuführen.

 

 

Burg Lockenhaus - Castrum Leuka
Ein Beitrag zur Historie des „Castrum Leuka“

 

Abstract

Die vorliegende Aufgabenstellung soll der Klärung dienen, inwiefern die Möglichkeit als historisch zu erachten ist, daß es sich bei „Castrum Leuka“ um eine Festung eines christlichen Ordens und insbesondere jenes der Tempelritter gehandelt haben könnte. Die besagte Burg Lockenhaus im heutigen österreichischen Bundesland Burgenland gehört auf Grund beachtenswerter architektonischer Besonderheiten zu den kulturhistorisch bedeutendsten Festungen Österreichs.
Für die thematische Annäherung an die Fragestellung werden in der Literatur seit vielen Jahrzehnten bis in die Gegenwart für die Bildung der verschiedenen Thesen die Architektur des errichteten Kerns der Burg, der Apsidenraum, der Rittersaal, Freskenreste an Fensterlaibungen und ein tatzenkreuzähnliches Symbol auf einem Schlußstein herangezogen. In der vorgebrachten Argumentation folgen meist Hinweise auf bautechnische Analogien zu Festungen der Kreuzritter im Nahen Osten, Syrien und Palästina und Bezugnahmen auf die regionale bekannte Volkssage „Die Templerbluthalle zu Lockenhaus“.

Gemäß dem Versuch der Erhellung der Historie um die Burg Lockenhaus und kritischer Prüfung bisher vorgebrachter Argumentationen werden eine Auswahl der bisherigen Publikationen über das Castrum Leuka betrachtet, neuzeitliches - durch die Heimatkunde dokumentiertes - Geschehen eingebracht, der Inhalt der Sage einer Analyse unterzogen, sowie die Urkunden der BUB (Burgenländische Urkundenbücher I & II) beigezogen. In Folge soll auf diese Weise ein umfassender Einblick in die bestehenden Eigentumsverhältnisse, das Nutzungseigentum und die Inhaberschaft des Castrum Leuka im Mittelalter ermöglicht werden.

Durch eine im Kontext der Urkundenlage vorzunehmende Ergänzung durch die Ergebnisse der bisherigen historischen Forschungen sollen die Grundlagen der vorliegenden Thesen schließlich zur Diskussion gelangen, wonach es sich mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bei der Burg Lockenhaus - Castrum Leuka, zu keinem Zeitpunkt um eine Festung des Ordens der Tempelritter gehandelt hat.

 


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland


Gesamtansicht der Burganlage Lockenhaus von Westen.

 

 

 

Einleitung

Am Beginn des 13. Jhd. entstanden im Gebiet zwischen den Ausläufern des oststeirischen Hügellandes und der pannonischen Ebene eine Reihe von Befestigungsbauten in dem von bayrisch-fränkischen Siedlern urbar gemachten Urwald. Die Rodungsbauern begründeten verstreut liegende Landgüter, die seit dem 9.Jhd nachweisbar sind. Da die Kolonisten das „Ödland“ kultivierten und dadurch den kirchlichen wie weltlichen Besitz mehrten, öffneten die jeweiligen Herrscher gerne ihre Territorien für die in die unbewohnten Landstriche einwandernden deutschen Siedler.
Während der Regentschaft des Ungarnkönig Bela III. (1172-1196) wurden die Zisterzienserorden in St. Gotthard, Borsmonostor (Klostermarienberg) und Pernau gegründet, die der Kolonisation mit christlichem Beistand wie praktischem Wissen dienten und das Rodungsbauerntum erheblich unterstützten und förderten.
Die Kolonisation führte nach der Jahrtausendwende zu einer Veränderung der Landschaft sowie der allgemeinen sozialen Verhältnisse und führte schließlich zur Erbauung von Festungen. Im 13. Jhd. waren die bedeutendsten die Festung Güssing, deren Vorgängerbau aus Holz um das Jahr 1150 errichtet wurde, die Festung Burg (Óvár), die im Jahre 1244 bereits in einer Urkunde als eine „alte Burg“ genannt wird, die Burg Bernstein, die der Landrichter Geregye um 1235 für den Ungarnkönig Andreas II. aus babenbergischem Besitz erwarb und die Burg Lockenhaus, die urkundlich erstmals 1242 als „Castrum Leuca“ erwähnt wird.

Von den erwähnten Burgen nimmt „Castrum Leuka“ eine besondere Stellung ein, da die Vermutung besteht, daß ihre Erbauung auf einen Ritterorden zurückzuführen ist und die Burg sich im Eigentum des Ordens der Templer befunden haben könnte. Der Orden der Ritter der Templer wurde während der Epoche der Kreuzzüge von Hugo von Payens, Gottfried von Saint-Omer und einigen weiteren Adeligen in Jerusalem vermutlich um das Jahr 1118 als erster Ritterorden des Mittelalters gegründet. Als Zielsetzung des Ordens stellte sich dieser zur Aufgabe, die Pilgerwege nach Jerusalem zu sichern. Mit der Gründung des Ordens traten erstmals Mönche in eine Organisation der Krieger und Kämpfer ein, deren Lebensführung weiterhin durch die allgemeine klösterliche Ordnung festgelegt war. Nach 2 Jahrhunderten erfolgreicher Kriegführung und aktiver Tätigkeit in denen der Orden durch päpstliche Privilegien von Europa bis in den Nahen Osten Niederlassungen und Eigentum erworben und aufgebaut hatte, tritt Frankreichs König Philipp IV. (1268-1314) auf Grund machtpolitischer Überlegungen im Jahre 1307 vehement gegen den Orden auf. Schließlich wird unter dem Vorwurf der Häresie die Zerschlagung des Ordens intendiert, welche Papst Clemens V. (1305-1314) im Jahre 1312 auf dem Konzil von Vienne durch den Beschluß der Auflösung des Ordens bestätigte.
Mit der öffentlichen Hinrichtung des letzten Großmeisters, Jaques de Molay in Paris im Jahre 1314 am Scheiterhaufen, endet die Geschichte des Templerordens.

 

 

Die Erwähnung von Ritterorden auf der Burg Lockenhaus in der Literatur

In einem Standardwerk über österreichische Burgen, im „Österreichischen Burgenlexikon“, von G.C. Martinic, ist der Burg Lockenhaus ein Abschnitt gewidmet, worin nach der standardisierten Beschreibung der allgemeinen Bauarchitektur, erwähnt wird, daß „..der unterirdische Raum vermutlich ein Kultraum der Templer aus dem 13. Jhd. war“.

In einem 1912 erschienenen „Führer durch Sopron und die ungarischen Alpen“ von G. Thirring findet sich neben der Nennung eines nicht weiters zu belegenden „Bana, Obergespan des Soproner Komitates“ als Eigentümer der Burg Lockenhaus im Jahre 1200, die Erwähnung von „Spitalsrittern“ auf der Burg, Angaben, die ebenso der Autor E. Stephan in der „Festschrift Burgenland“ im Jahre 1920 tätigt.

H. Laijta, der Autor des Lexikons „Burgenland - Ein Kunst und Kulturlexikon“, 1983, berichtet über die Gemeinde und die Burg Lockenhaus und beschränkt sich darauf, unter der Abbildung des Rittersaals anzumerken, daß dieser „..oft mit den Rittern des Johanniterordens in Zusammenhang gebracht wird.“
Am Ende der lexikalen Beschreibungen folgt eine gesonderte Ausführung von P. A. Keller, Autor des Burgführers „Burg Lockenhaus“, 1969, und ehemaliger Eigentümer der Burg Lockenhaus, der ergänzt, daß die bisher als erste auszumachende Niederschrift die den Orden der Templer benennt, auf das Jahr 1670 zurück reicht, wo bei einer Beschreibung der Burg „lapidar festgestellt wird, daß dieser (Anm.: der Kapitelsaal) jener der Tempelritter gewesen ist.“

Wie der obigen Auswahl der Literatur zu entnehmen ist, werden in sämtlichen Ausführungen über die frühe Geschichte auf die Möglichkeit, daß es sich beim Castrum Leuka um eine Festung eines Ritterordens gehandelt haben könnte kurz Bezug genommen, wobei diese als Spitalsritter, Johanniter, Kreuzritter oder Templer bezeichnet werden. Durch eine Publikation des letzten Eigentümers der Festung, Prof. Dr. Keller, ist die literarische Erstnennung um das Jahre 1670 in Erfahrung zu bringen, in der – ohne weitere Ausführungen - die Apsidenhalle dem Orden der Templer zugeordet wurde.

Auf Grund der bisher eröffneten Bezugnahmen, deren Übereinstimmung sich auf die Erwähnung der Möglichkeit eines vorhandenen Ritterordens beschränkt, erhebt sich die Frage, auf welcher Grundlage die Autoren obige Vermutung aufgenommen haben und durch welche Indizien sich die seit dem 17.Jhd. bis in die Gegenwart bestehende Idee aufrecht erhalten konnte.

 


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland


Die Südseite der Burg Lockenhaus.

 

 

Erste Niederschrift und Volkssage

Die usprüngliche Bauform des Castrum Leuka - wie die Festung in den noch auszuführenden mittelalterlichen Urkunden bezeichnet wird – ist trotz mehrmaliger Um- und Zubauten heute noch erkennbar. Die vermutlich am Beginn des 13. Jhd. erbaute Hochburg bestand aus einem 5-eckigen Bergfried mit Zinnenkranz. Im ältesten Teil dieser Festung finden sich auch die über den mittleren Burghof zugänglichen Räumlichkeiten, deren Architektur die Burg zu eine der bekanntesten Bauwerke unter den mittelalterlichen Fortifikationsbauten werden ließ.
Die Herkunft und die Gründe für die Erbauung des Apsidenraums, des Rittersaals, samt der ehemaligen Burgkapelle, sowie die Bedeutung der noch erhalten gebliebenen sehr alten Freskenreste blieben bis heute unerforscht. Diese Ungeklärtheit sowie die bautechnische Ähnlichkeit der Bauform und des Grundrisses der Burg mit jenen durch die Kreuzritter im Nahen Osten erbauten, dürften jene Annahmen fundieren, wonach es sich ursprünglich um eine Burg des Ordens der Templer gehandelt haben könnte.

Obwohl eine Niederschrift über eine Templerordenschaft auf Burg Lockenhaus erstmalig seit 1670 vorliegt, also rd. 400 Jahre nach einem als möglich zu erachtenden Eigentumsverhältnis, und sich darüber hinaus keine weiteren Quellen oder indizienbildende Funde innerhalb und außerhalb der Burg, wie Urkunden in Klösterarchiven oder Fragmente von Stoffen, Waffen, Keramiken, etc. ergeben haben, konnte sich die Idee eines auf Castrum Leuka vorhandenen Ritterordentums bis in die Gegenwart behaupten.

Aus diesen Gründen führt der weiteres zu erörternde Sachverhalt vorerst zur Frage, in welch einem historisch-heimatkundlichen Kontext die getätigte Behauptung in der Niederschrift aus dem Jahre 1670 vorgenommen wurde:
Hier erhalten wir Kenntnis, daß der damalige Burgherr Franz Nádasdy im Jahre 1671 gefangen genommen und enthauptet wurde. Auf sein Bestreben erfolgte der Bau der frühbarocken Kirche im Ort Lockenhaus 1656, der im Jahre 1669 vollendet wurde. Unter der Kirche findet sich die dreischiffige Familiengruft, in der Franz Nádasdy noch im selben Jahr der Fertigstellung die Überführung seiner Ahnen aus der Burggruft von Castrum Leuka vornehmen ließ und in der er selbst begraben liegt.
Kurze Zeit später, urkundlich belegt mit dem Jahre 1676, gelangte die Burg Lockenhaus in das Eigentum des Geschlechts der Esterházy.

 

Aus jener Epoche, als das Geschlecht der Esterházy über die Eigentumshoheit der Burg Leuka verfügte, stammt auch die Publikation der regional bekannten Volkssage, die die Freiherrn Hormayr & Mednyansky im Jahre 1824 herausbrachten:

„Die Templerbluthalle zu Lockenhaus“

Die Erzählung selbst gliedert sich in zwei Teile, wobei am Beginn das Thema „Tempelritter in Ungarn“ als Fragestellung aufgegriffen und dabei von verschiedenen Personen oder Ereignissen in einer allgemeinen wie unverbindlichen Form berichtet wird. Bei dieser ausschweifenden Einführung, die beinahe die Hälfte der Volkssage einnimmt, wird auch erwähnt, daß über dieses Thema „viele Fabeln“ existieren, wobei der Eindruck entsteht, daß das Geschehen von einer nicht genannten Person an einen Leser herangetragen wird. Aus der Sicht eines erzählenden (imaginären) Wanderers oder Lehrers, der sich im „fruchtbaren Komitat Eisenburg“ aufhält, durchschreitet dieser das nur mehr von „armen Taglöhnern“ bewohnte Gelände mit den Nebengebäuden der Burg und betritt die unbewohnte, leerstehende und bereits in Mitleidenschaft gezogene Festung. Wie bei einer Führung folgen nun die Erklärung baulicher Details und Bezugnahmen zu historischen Ereignissen, wie über „das vormalige Erbbegräbnis der Grafen Nádasdy“ um bei dem „mit unsäglicher Mühe in den Fels gehöhlten und 50 Klafter tiefen Brunnen“ auf die eigentliche Sage überleitend zum Sprechen zu kommen: „Blut sei hier von frevelhaften Händen vergossen worden und zwar edles, unschuldiges Blut und darum unvertilgbar, so lange ein Stein noch auf dem anderen stehen wird“.

 

Dem erhobenen Vorwurf des Frevels folgt im unverändert ausuferndem Stil erstmalig die Erwähnung von Tempelrittern und leitet somit den Beginn der eigentlichen Sage ein:

„In altersgrauer Zeit war diese Burg das Eigentum des mächtigen Ordens der Ritter vom Tempel, von ihnen ist der domartige, prächtig verzierte Saal, das Kapitelhaus, den Versammlungen im Gebete und den Beratungen über wichtige Angelegenheiten, das Wohl der Brüder betreffend, gewidmet.
In ruhiger Abgeschiedenheit und in Werken der Milde, wohl auch in Ausbildung des ersten der ritterlichen Gebote, Rettung verfolgter Unschuld und Schutz gegen ungerechte Bedrückung, fanden die Ritter hinlänglichen Ersatz für jene Freuden der Welt, denen sie mit der Annahme des roten Kreuzes entsagen mußten. Heiter und zufrieden in ihrem Gemüte, geliebt von ihren Untergebenen, geehrt von ihren Nachbarn, konnten sie von Ferne nicht ahnen, daß jenes Ungewitter, das sich im fernen Frankreich gegen ihren Orden erhob, so schreckliche Folgen nach sich ziehen dürfte. Wie ein plötzlicher Donnerschlag erschreckte sie die Nachricht von der Pein und Hinrichtung des Meisters und dem Vertilgungsfluch, den das Conzilium von Vienne über die Verbrüderung ergehen ließ, so wie der argen List und der unmenschlichen Grausamkeit, mit der man durch Folterqualen und Scheiterhaufen gegen Einzelne, so wie gegen die ganze Gemeinde verfuhr.
Auf die Erhaltung des nunmehr schwer gefährdeten Lebens bedacht, verließ keiner die Festung mehr, die mit Mannschaft und Kriegsbedürfnissen aller Art wohl versehen, gegen Überfall und Gewalt hinlänglich gesichert war.
In tiefer Trauer und banger Ahnung des künftigen Geschicks, das unmöglich freundlich sein konnte, da des König Karl Robert von Anjou Willfährigkeit gegen die Beschlüsse des, die Templer zerschmetternden Papstes, deshalb nicht bezweifelt werden konnte, weil er ihm vorzüglich die Erhebung auf Ungarns Thron verdankte, vergingen einige Monate.
Da kündete eines Tages der Türmer die Ankunft eines Herolds, der vom König gesandt, Einlaß fordere. Als ihm die Tore geöffnet und er in die Mitte der vom Komthur versammelten Brüder getreten war, begann er also:
„Bekannt ist euch der Ausspruch der Kirchenversammlung von Vienne, der euren Orden vertilget, bekannt die Greuel, die mehrere eurer Brüder mit dem Flammentod gebüßt, nicht frei von den selben Beschuldigungen seid auch Ihr. Doch will der edlen Ungarn gerechter König den Unschuldigen nicht zugleich mit den Schuldigen vernichten. Ein hohes Gericht hat er bestellt, vor dem Ihr euch rechtfertigen möget, sofern Ihr es könnt. Die Vorladung bringen bin ich gesandt.“

Tiefe Stille herrschte rundumher, als er geredet. Alle Blicke hafteten an den ehrwürdigen Zügen des greisen Komthurs, der langsam und feierlich, von dem erhöhten Sitz sich erhebend, begann:
„Wohl ist uns der Beschluß der versammelten Väter der Kirche, wohl der Märtyrertod des erhabenen Meisters uns so vieler unserer Brüder, wohl die empörende Schuld, deren man sie und nun auch uns zeihet, bekannt. In dem ruhigen Bewußtsein unserer Unschuld, scheuen wir keines Richters Auge. Allein da man so viele der Unseren mit Hintansetzung des Rechts und ohne überweisendes Urteil gemordet, fordern wir sicheres Geleit mit dem König heiligem Wort bekräftigt, ohne das keiner die schützende Feste verläßt. Ist dies Brüder, Euer aller Meinung, so erhebt euch schnell, damit wir eilig entlassen den Herold.“
Und die Brüder erhoben sich schnell und eilig ward der Herold entlassen. Aber schon nach wenigen Tagen kehrte er zurück, überbringend den Ächtungsbrief, der sämtliche Tempelritter von Lockenhaus des Ungehorsams gegen des Königs Befehle und des stillschweigenden Geständnisses ihrer Schuld überwiesen, dem Tod anheimgefallen und vogelfrei erklärt.
Bald folgten dem unheilvollen Brief einige Fähnlein Fußvolk, die das Bergschloß eng umsetzten. Vergebens wagten diese Sturm um Sturm, die festen Mauern von tapferer Faust beschirmt, spotteten der Gewalt und wiesen jeden Versuch zurück. Endlich gelang es dem beinahe schon entmutigten Feldhauptmann, einen Elenden mit schwerem Gelde zu erkaufen, der ihm in stiller Mitternachtsstunde ein geheimes Pförtlein zu öffnen versprach.
Versammelt waren die Brüder im Kapitelhaus, vom Komthur berufen, die fernere Zukunft, denn der nächsten glaubten sie auf den Mut vertrauend gewiß zu sein, beratend in Erwägung zu ziehen. Bevor noch der Wache habende Bruder Servient in des Mondes zweifelhaften Schimmer zu unterscheiden vermochte, ob Freund- oder Feindesgestalt ihm nahten, sank er vom tödlichen Geschoß getroffen, mit einem einzigen Schrei zu Boden. Hinausstürmten die Ritter, doch schon in der Halle trafen sie den verräterischen Feind. Dort fielen sie alle, mutig, aber gegen die ungeheure Mehrzahl vergebens kämpfend, der greise Komthur der Letzte.

Tief drang das Blut der unschuldig Gemordeten in den Boden und unvertilgbar sind seine Spuren, in erster Frische und Lebendigkeit noch jetzt, nach mehr als fünfhundert Jahren zu schauen. Als in späteren Zeiten einige Male die Blutflecken mit vieler Mühe dennoch verwischt wurden, erhob sich in der Nacht ein furchtbarer Sturm, der das Schloß aus seinen Grundfesten zu heben schien. Kampfgeschrei, Waffengeklirre, dann Ächzen und Röcheln, durchbrauste die schreckliche Halle (seither die Bluthalle genannt), blasse Gestalten, in weiße Gewänder gehüllt, auf quellenden Wunden hinzeigend, schwebten mit dräuenden Gebärden bald hinein, bald heraus, und am anderen Morgen waren die Blutmale wieder vorhanden.

Des ungeheuren Schreckens, mit dem diese gräßliche Erscheinungen die Bewohner der Burg bei ähnlichen Anlaß wiederholt erfüllten, wohl eingedenk, wagt es seitdem keine unheilige Hand mehr, sich an diesem grauenvollen Denkmal zu vergreifen.“

In einer betrachtenden Annäherung an die Erzählung wird bereits ersichtlich, daß in der eher allgemein gehaltenen Einleitung, die dem eigentlichen Geschehen vorangestellt wurde, verschiedene historische Begebenheiten erwähnt werden, die aber keine Relevanz hinsichtlich bestehender Fragestellung einnehmen. Folgend wird die Perspektive sukzessive dahingehend verändert, als die weitere Berichterstattung von einer nicht näher benannten Person vorgenommen wird, die als „wissender Erzähler“ von vor langer Zeit stattgefundenen Ereignissen auf der Burg Lockenhaus fungiert.
Für die Feststellung, in welcher Epoche sich die unbekannte geschichtskundige Person befindet, dienen die von derselben Person getätigten Angaben, die mit den vorliegenden Dokumentationen verglichen werden können: Der in der Burg vorhandene Brunnen wurde erst in den Jahren 1548/49 errichtet und die Kenntnis um das bestehende Eigentum des Fürsten Esterházy legt einen Zeitraum zwischen dem Jahr 1676 und der Publikation der Sage im Jahre 1824 fest. Genaueres ergibt sich durch den Sachverhalt, daß das Castrum beim Betreten durch die oben genannte Person seit längerem unbewohnt ist, die Räumlichkeiten leer und frei zugänglich und das historische Gebäude Spuren starker Erosion aufweist, wodurch wir Kunde erlangen, daß der genannte Erzähler sich vor Ort vermutlich gegen Ende des 18. Jhd. befinden dürfte.
Auch ist unübersehbar, daß das zum Ausdruck gebrachte und als historisch deklarierte Geschehen nicht in einer gewohnten direkten Ausdrucksform einer Sage vorliegt, sondern am Originalschauplatz als erzählte Geschichte, wie in einem Rückblick, also „als Geschichte in einer Erzählung“ dargebracht wird. Die darin eingenommene Perspektive rückt nicht nur die dargestellte Historie in das Zentrum der Betrachtung, sondern ebenso die Frage nach der eigentlichen Sinnhaftigkeit der Erzählung, die offensichtlich nicht den Nachweis des Ordens der Templer auf der Festung zu erbringen sucht und deren Intention vorerst nicht ersichtlich ist.
Aus diesem Grund gelangen die Fragestellungen was die Erzählung zum Ausdruck bringt und worüber ein Leser Kenntnis erhalten soll vorerst zur Diskussion.

Der als eigentlicher Kern der gesamten Erzählung anzusehende Abschnitt beginnt – gleich der „lapidaren“ Form in der erstmals schriftlich vorliegenden Behauptung aus dem Jahre 1670 - mit der als Gewißheit dargebrachten Feststellung, daß „die Burg das Eigentum des mächtigen Ordens der Ritter vom Tempel“ gewesen ist. Die Mönchsritter, so erfahren wir weiters, leben gemäß den ritterlichen Geboten in Eintracht und Frieden, werden von ihren Untergebenen geliebt und von ihren Nachbarn geehrt.
In diese idyllische mittelalterliche Welt treffen die Nachrichten über die Auflösung des Ordens durch Papst Clemens V. (1304–1314) und die Verfolgung und Tötung der Ordensbrüder in Frankreich ein, wodurch annähernd die Epoche des angeblichen Aufenthalts der Templer auf Burg Lockenhaus ersichtlich wird: Wir befinden uns im 14. Jhd., um das Jahr 1314, welches durch die Benennung des Königs von Ungarn Karl I. Robert von Anjou, der von 1310–1342 Ungarn regierte, bekräftigt wird.

Auch wenn kein Bericht vorliegt, in welcher Weise die Templer die Nachrichten erhalten haben und somit die Erzählung weiterhin in einem generalisierten Modus verbleibt, können wir dieser entnehmen, daß in Folge die Gemeinschaft der Mönche zu der Gewißheit gelangt ist, daß von nun an Gefahr für das Leben aller der auf Burg Lockenhaus lebenden Mönchsritter besteht. Darüber hinaus rufen die eingetroffenen Neuigkeiten für dieselbe Gemeinschaft eine Änderung des Grundgefühls und ihrer Haltung hervor, denn von nun an wird ihr Aufenthaltsort eine durch Kampf zu verteidigende Festung, die gegen Überfall und Gewalt ausreichend gesichert erscheint.
Die Haltungsänderung der Mönchsritter bringt auch ein Mißtrauen gegenüber den möglichen Vorgehensweisen des Königs Karl I. Robert von Anjou hervor. Auf Grund der Krönung zum König von Ungarn durch den Papst steht Karl I. Robert von Anjou dem Oberhaupt der Christenheit in willfähriger Verpflichtung und Gehorsam, wodurch gemäß ihrer Ansicht ein Angriff ihrer Burg durch königliche Truppen als unumgänglich anzusehen ist.

 

Wenn zur Berücksichtigung gelangt, daß es sich bei den besagten Mönchen um Mitglieder eines Orden mit beinahe 200 jähriger Kriegstradition im mittelalterlichen Europa und im Nahen Osten handelt, so ist die nun von der Gemeinschaft getätigte Vorgehensweise von besonders hohem Interesse:

Es vergehen Monate, - ohne daß etwas geschieht.

 


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland


Steinerne Treppe zum Innenhof der Altburg.

 

Leben die Mönchsritter nach eigener Entscheidung nur mehr innerhalb der Burg und in ständiger Kampfbereitschaft, so ereignete sich weder die von ihnen erwartete Belagerung durch königliche Truppen, noch sehen die Templer irgendeinen Grund selbst einen aktiven Beitrag für ihre Sicherheit, Klärung, Änderung oder Besserung ihrer Situation zu leisten, um Unterstützung zu werben oder Asyl zu erlangen.
Gemäß der Erzählung entsteht dann auch der Eindruck, daß die Ankunft des Boten des Königs, der vor dem Tore steht und Einlaß fordert die Mönche beinahe schon ein wenig überraschte.

Die Aufgabe des Herolds ist es, den Mönchen ein Angebot des Königs Karl I. Robert von Anjou zu unterbreiten, wonach dieser die Mönchsritter einem hohen Gericht vorzuführen gedenkt, um nicht einen Unschuldigen belangen zu müssen.
Die ethischen Bedenken des Königs gegen die Vorgehensweise des Papstes konnten offensichtlich bisher die Erstürmung der Burg durch königliche Truppen hintanhalten, dennoch bekräftigen alle Templer auf Grund ihres Grundgefühls der Verängstigung die Forderung nach zusätzlichen verbrieften Sicherheiten vom König. Als Gründe werden die den Templern bekanntgewordenen Untaten gegenüber ihren Ordensbrüdern genannt, also die selben Gründe, die zu einem völligen Rückzug auf die Festung, deren Sicherung und ihrer aufrechten Kampfbereitschaft führten.
Als der Herold wiederkehrt, überbringt er den Ächtungsbrief, das bedeutet u.a., daß auf königliche Verfügung alle Tempelritter jedem Anspruch auf Rechtmäßigkeit enthoben sind und jeder, der gegen einen Mönchsritter mit Gewalt vorgeht auch mit Straffreiheit zu rechnen hat.
Bestätigt also der Erhalt des Schreibens die von den Mönchsrittern bereits seit langem erwartete Bedrohung, so kehren diese in Folge in den Modus ihrer bisherigen Vorgehensweise zurück:
Ohne jegliche Bemühung, wie einem unausweichlichen Schicksal ergeben, verbleiben der Komthur und jeder der Mönchsritter in der bereits seit Monaten eingenommen Erwartungshaltung, wobei die ursprüngliche Angst sich schließlich wenige Tage nach Erhalt des Ächtungsbriefes als berechtigt erweist: Truppen marschieren auf, ein Belagerungsring wird gezogen, Attacken auf die Burg finden statt.
Obwohl seit Monaten die Festung nicht mehr verlassen wurde, die Möglichkeit eines Angriffs auf die Festung jederzeit besteht, die Furcht um ihr Leben als leitendes Handlungsmotiv der Gemeinschaft seit der Benachrichtigung über die Ordensauflösung dominierte, begnügen sich die Mönchsritter offensichtlich damit, während der andauernden Belagerung und Okkupationsversuche einem einzigen ihrer Mitstreiter, Bruder Severin, die Nachtwache zu überlassen, während sich alle übrigen im Kapitelsaal zur Versammlung einfinden.
Bei dieser vom Komthur zur mitternächtlichen Stunde einberufenen Besprechung wird aber nicht die gegenwärtige Lage oder die weitere Vorgehensweise erörtert, sondern – so berichtet die obige Erzählung- gelangt jene der ferneren Zukunft zur Beratung.

Dieses von den Mönchsrittern erwählte Thema mag in Anbetracht des bisher festzustellenden beharrlichen Desinteresses erstaunen. Leider fruchtet die Diskussion nicht mehr, denn das Schicksal der Mönchsritter ist bereits besiegelt, indem durch Verrat der Feind über eine kleine Türe in die Festung eindringen konnte. Nachdem die um Mitternacht im Kapitelsaal diskutierenden Templer den kurzen Todesschrei ihres nachtwachenden Ordensbruders vernehmen, wollen sie spontan den Kampf aufnehmen.
Es ist aber bereits zu spät, da der Feind schon in den Kapitelsaal stürmt und gegenüber der eindringenden Überzahl die Kampfkraft der Mönche nicht ausreicht, bis sie schließlich alle unterliegen und hingemetzelt werden.
Noch Jahrhunderte später ist das vergossene Blut der beim Überfall getöteten Templer am Boden erkennbar und wenn jemand dieses zu beseitigen versucht, ereignen sich mystisch-schaurige Dinge. Schwebend, in weiße Gewänder gehüllt, so wurde später von den Bewohnern der Burg bezeugt, wollen die zu unrecht Ermordeten ihre Wunden gesehen wissen und für ewig die Erinnerung an das Massaker aufrechterhalten. Solange ein Stein noch auf dem anderen stehen wird, gibt es keine Erlösung. Wird das vorhandene Blut vom Boden des Kapitelsaals dennoch beseitigt, so wiederholt sich in der Folgenacht das grauenhafte Geschehen, begleitet von fürchterlichem Unwetter, und am nächsten Morgen sind die untilgbaren Blutlachen wieder vorhanden.
Seit diesen Ereignissen traut sich keine unheilige Hand mehr, sich an dem grauenvollen Denkmal zu vergreifen.

Wirkt die überlieferte Erzählung im ersten Eindruck homogen und in sich schlüssig, so zeigt bereits eine erste Analyse, daß das als historisch vorgegebene Geschehen sich unmöglich in dieser Form jemals ereignet haben kann, wie es aufzuzeigen und zu begründen gilt. Auffallend ist, daß in der Einleitung der Erzählung die Beschreibung der Bauarchitektur der Burg relativ anschaulich vorgenommen wird, aber diese in dem Verlauf der Darstellung dann ebenso unerwähnt bleibt, wie die jeweiligen Orte und Räumlichkeiten der Handlung: Der Türmer meldet den Herold, ohne daß der Turm jemals zur Sprache kommt und auch der Ort der Vorsprache des Herolds bleibt unbekannt. Die Erzählung begnügt sich statt dessen mit der Erwähnung des Burgtors und eines Möbels, des erhöhten Sitzes des Komthurs. Daß die Mönchsritter über Sitzplätze verfügen ist überhaupt nur dem Umstand zu entnehmen, daß sie sich bei der Abstimmung erheben. Sämtliches Geschehen ist jedem konkreten Ort und jeder Bezugnahme zu einer Räumlichkeit enthoben, wovon nur einmal der Kapitelsaal und die Halle ausgenommen werden. Selbst der Tod des Ordensbruders Severin, die neben König Karl I. Robert von Anjou einzig mit Namen benannte Person, ereignet sich scheinbar irgendwo am Burggelände.

Sämtliches Geschehen wirkt durch das Fehlen von örtlichen Bezugnahmen und konkreten Personen, wie die durch einen Regisseur auf einer Bühne erläuterte Handlung eines Schauspiels. Dies ruft in Erinnerung, daß es sich bei der Darstellung um eine Erzählung einer vermeintlich im 18. Jhd. an dem Ort der Handlung anwesende Person handelt. Diese distanzierte Erzählform, die im ganzen Verlauf der Darstellung erkennbar ist, sowie deren generalisierter Ausdruck führen zur Infragestellung, ob es sich tatsächlich bei dieser Volkssage um eine Sage oder nicht vielmehr um eine Dichtung handelt.

Darüber hinaus gelangt die Darstellungen über die Templer selbst zur Diskussion, da die erkennbaren Vorgehensweisen der Mönchsritter sich durch die dargebrachten Motive nicht annähernd erklären lassen:
Von Anbeginn an bleibt eine Bezugnahme zu den Ordensregeln des Mönchs – und Rittertums unerwähnt. Die gesamte Gemeinschaft gibt der Position des Rückzugs und Passiviät den Vorzug. Besonders in der Darstellung einer wie schicksalhaften Ergebenheit in Anbetracht einer als mit Sicherheit feindlich zu erwartenden Zukunft wird dies erkennbar. Obwohl alle Mönchsritter über die päpstliche Auflösung des Ordens, die Vollstreckung der Urteile an den Mitbrüdern Kenntnis haben und darüber trauern, finden sich keinerlei Hinweise auf ein Aufgreifen von unmittelbarer Zukunftsorientiertheit, keine Stellungnahmen zum eigenen Tun und, bezugnehmend zur eigenen Situation, keine zu treffenden Entscheidungen. Es scheint so, als stellten z.B. ein Versuch zur Aufnahme von Verhandlungen, die Suche und Bitte um Gewährung von Asyl oder die Idee der Flucht vor dem vom König entsandten Heer keinerlei Option dar.

In der Erläuterung der charakteristischen Merkmale, die beizuziehen für ein Verständnis des Inhalts der Darstellung von Bedeutung sind, gilt es die Frage wieder zu verfolgen, was eigentlich den Gegenstand der gesamten Erzählung bildet und welcher Intention diese dient.

Wie bisher in Deutlichkeit aufgezeigt werden konnte, versucht die Volkssage weder den Nachweis eines Ordens der Templer aufzugreifen und thematisiert auch nicht existentielle Anliegen, wie das Erleben von Verunsicherung der Mönchsritter oder durch die Ordensauflösung erwachsende ethische Probleme oder Fragen der Identität. Auch wird dem Verhalten des Papsts sowie dem Vorgehen des Königs gegenüber keinerlei Kritik entgegengebracht oder durch Aufzeigen der Schicksalshaftigkeit die von den Tempelrittern selbst zu erleidende Ungerechtigkeit und ihr Ausgeliefertsein dargestellt.
Erinnern wir uns an die Einleitung der Sage, wo die erzählende Person den Vorwurf des Frevels mit dem überzeugenwollenden Hinweis erhebt, wonach edles, unschuldiges Blut vergossen wurde und damit eine ethischen Wertung vornimmt und eine Position bezieht:

Unter Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen kann die Sinnhaftigkeit der Volkssage nur unter der einen Bedingung erkennbar werden, daß das dargebrachte Vorgehen und Verhalten der Tempelritter für die Erzählung selbst als zwingend angesehen wird. Die Mönchsritter sind Statisten. Das bedeutet, daß die gesamte Handlung nur dann kausal verständlich wird, wenn die Ordensbrüder in der Erzählung ausschließlich der Darstellung von unschuldigen Opfern dienen:

Nicht den Templern ist die Erzählung gewidmet, sondern dem Versuch einer Begründung, weshalb der Kapitelsaal ein Denkmal ist.

 

Das bisher Gesagte wird schließlich durch das im Schlußsatz zum Ausdruck gebrachte bekräftigt:

„Des ungeheuren Schreckens, mit dem diese gräßlichen Erscheinungen die Bewohner der Burg bei ähnlichem Anlaß wiederholt erfüllten, wohl eingedenk, wagt es seitdem keine unheilige Hand mehr, sich an diesem grauenvollen Denkmal zu vergreifen“

Die Bewohner der Burg bezeugen glaubhaft die grauenvollen Erscheinungen, die sich bei ähnlichem Anlaß bereits mehrmals wiederholt haben. Mit der Frage, weshalb die Bewohner zur Zeugenschaft herangezogen werden wird auch deutlich, welche Intention die Erzählung tatsächlich von Anbeginn an verfolgte.
Zuletzt ist von einer Angst vor der Wiederkehr der frevelhaft Gemordeten, ihres Blutes oder des mystischen Geschehens nichts zu spüren, statt dessen tritt ein tiefer Wunsch in den Vordergrund und bringt eine verborgene Sehnsucht zum Ausdruck:

Für immer soll von einer Inbesitznahme des Castrum Leuka Abstand gehalten werden.

 


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland


Der sagenumwobene Kapitelsaal der Altburg.

 

 

Sage, Dichtung und Historie

Da dem Ergebnis der bisherigen Ausführungen noch keine ausreichenden Indizien zu entnehmen waren und sich der Verdacht bildete, wonach es sich bei der Erzählung um keine Sage handeln könnte, wird folgend auch der Versuch einer Qualifikation der Volkssage unternommen.
Im Allgemeinen werden jene Erzählungen als Sage bezeichnet, deren Inhalt auf ein historisch gesichertes od. zumindest als dringend vermutetes Ereignis Bezug nimmt. Meist ist nicht nur der Ort der Handlung bekannt, sondern auch die in der Erzählung vorkommenden Personen, weshalb durch eine Sage der Anspruch erhoben wird, daß sie sich durch die Darstellung eines wahrhaftigen Geschehens und einer Datierbarkeit desselben auszeichnet.

Für eine Evaluierung der Volkssage „Die Templerbluthalle von Lockenhaus“ nach den genannten Kriterien, gelangen die durch die Erzählung bekannt gewordenen Hinweise auf eine Datierung zur Aufzählung:
Der Aufenthalt des Ordens der Templer auf der Burg Lockenhaus wäre auf den Beginn des 14. Jhds. festzulegen. Die Regentschaft des Königs von Frankreichs, des Kapetingers Philipp IV. genannt „der Schöne“ endete, ebenso wie das Pontifikat des Papstes Clemens V. mit dem Jahr 1314. In der Erzählung erhalten die Mönchsritter mit der Nachricht über das Konzil von Vienne und der Auflösung des Ordens auch Kenntnis, daß der Meisters angeklagt, zum Tode verurteilt und 1314 am Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Alle diese Angaben scheinen die Datierbarkeit über das Vorhandenseins eines Templerordens auf „Castrum Leuka“ zu ermöglichen und die Jahre 1314-1316 zu bestätigen, zusätzlich erhärtet durch die Erwähnung des Königs von Ungarn, Karl I. Robert von Anjou, dessen Regierungszeit von 1310–1342 dauerte.

Trotz der Ausführungen in der Erzählung über die kontextualen historischen Ereignisse können diese dennoch keine ausreichende Grundlage gewähren, da bestehen bleibt, daß die Erzählung zwar ein Ereignis als Sachverhalt behauptet, selbst sich jedoch nicht auf ein bekanntes Geschehen auf Burg Lockenhaus beruft und des weiteren Bezug nimmt.
Nach bisherigem Ermessen kann die Volkssage also nur als reine Dichtung angesehen werden.

Unter Erörterung weiterer Quellen, insbesondere der vorliegenden Urkunden und deren Interpretation sollen jene Fakten ausgeführt werden, die zu einer Kategorisierung und Qualifizierung der Volkssage führen, wobei dadurch auch die Frage geklärt werden soll, ob tatsächlich eine Möglichkeit besteht, daß „Castrum Leuka“ eine Festung des Templerordens, „Castrum Templariorum“, gewesen ist.

 

 

Die Urkunden des Komitat Eisenburg

Wie der vorliegenden Urkundenlage zu entnehmen ist, wird die Burg Lockenhaus erstmals im Jahre 1242 im Zuge des Mongolensturms in den Jahren 1241/42 in einer Urkunde vom 2. Februar als intakt verbliebene Festung „Castrum Leuca“ erwähnt. Die in der Urkunde aufgezählten Burgen konnten deshalb von den Mongolen nicht eingenommen werden, da die ziehenden Reiterhorden meist die konventionellen Befestigungen aus Holz rasch erstürmen, jene in massiver Bauweise oder isolierter Lage jedoch nicht lange belagern konnten.

Eine weitere Urkunde aus dem Jahre 1247, erhalten im vatikanischen Archiv aus der Zeit Papst Innozenz IV. (1243-1254), läßt zwar „Castrum Leuka“ unerwähnt, ist aber dahingehend von Interesse, als der Ungarkönig Bela IV. den Johannitern verschiedene Besitzungen im Königreich überläßt, mit der Auflage einer Bereitstellung von 50 Mann im Falle eines Angriffs durch christliche Könige gegen Ungarn, wobei die zu verteidigenden Burgen benannt werden: Musunium (Wieselsburg), Suprunium (Ödenburg), Castrum Ferreum (Eisenburg) Castrum Novum (Güssing).

Bei der Johannitern handelt es sich um einen Orden, der den Templern nahesteht und dem 1312 das Eigentum des aufgelösten Ritterordens übertragen wurde. Die in der Urkunde benannten Festungen erhalten in der Mitte des 13. Jhd. für das ungarische Reich eine zunehmende Bedeutung, als diese nicht nur der Wahrung regionaler Interessen dienen und König Bela IV. die Expansionsbestrebungen des Babenbergers Friedrich II., der Streitbare, fürchtet. Im Zuge der Epoche der Kriegshändel erfolgte auch im Jahre 1260 eine Urkundenlage, die im Sinne vorliegender Aufgabenstellung als eine beweisführende Niederschrift angeführt wird.

 

Als dokumentierter Nachweis der Besitzverhältnisse wird die Urkunde aus dem Jahre 1260 (BUB I, 1965, Nr. 393) beigezogen:

„Stephan V., jüngerer König, verleiht auf Bitten des Gespanns von Zala und königlichem Oberkämmerer (magistra tavarnicorum) Csak dem Torda, Sohn des Geur, das Burgland Csöszi im Komitat Zala für seine Verdienste, besonders im Kampf seines Vaters, Bela IV. gegen den Herzog von Österreich (contra ducem Austriae), als er mit der Verteidigung der Burg Lockenhaus (castrum de Leuka) betraut war und zahlreiche Deutsche (Teutonici) im offenen Kampf tötete oder köpfte und andere Gefangene dem Magister Chak vorführte, sowie im Kriegszug gegen Bulgarien.“

Nach dem Tod des Babenbergers Friedrich II., des Streitbaren im Jahre 1246 erlangte König Bela IV. das Erbe der süddeutschen Fürstentümer und war von 1254 an auch Herzog der Steiermark, ein Herzogtum, dessen er aber um 1260/61 ledig wurde. Die nun an der Ostgrenze des Herzogtums Steiermark liegenden Burgen erhielten um 1260 eine hohe Bedeutung, als diese primär der zukünftigen Grenzbefestigung dienen sollten.

Wie obiger Urkunde aus dem Jahre 1260 zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem zu belohnenden Torda um einen Adeligen, der im loyalem-königlichem Gefolge von Bela IV. (Anm.: um 1246) gegen den Herzog von Österreich (Anm.: Friedrich II., der Streitbare) gekämpft hatte und der im königlichen Auftrag stand „Castrum Leuka“ vor der Einnahme durch babenbergische Truppen zu bewahren.

Auf Grund der ehemals erfolgreich geführten Kämpfe - sowie für eine Kriegszugsteilnahme nach Bulgarien – erbittet der in königlichen Diensten stehende magistra tavarnicorum Banus Chak von „Rex Junior“, Stefan V. um die Bestätigung der Belehnung des Heerführers Torda mit dem genannten Burgland im Komitat Zala.

Bei dem angeführten Torda handelt es sich um einen Kriegsherrn, der als Heerführer einen königlichen Auftrag übernommen hat und diesen nachweislich erfolgreich ausführte. Neben der Erwähnung von Getöteten konnten, wie der Oberkämmerer Chak selbst bezeugt, ihm auch mehrere Gefangene aus jenen Kriegshändeln vorgeführt werden, die trotz des Todes des Babenbergers 1246 noch bis 1250 andauerten.

Betreffend der Interpretation der Inhaberschaft der Burg Lockenhaus im Jahre 1260 nimmt die vorliegende Literatur keine eindeutige Position ein. Der Historiker J.K. Homma ist der Meinung, daß der Heerführer Torda seit 1242 als Inhaber der Festung anzusehen ist, während P. A. Keller, ehemaliger Besitzer der Burg Lockhaus, im Jahre 1260 Banus Chak als Eigentümer benennt. Folgende Ausführungen greifen diese unterschiedliche Sichtweise auf.

Auch wenn die Urkunde den Besitzer nicht ausdrücklich anführt, so besteht auf Grund der bekannten praktizierten Handhabungen durch den König berechtigt die Annahme, daß die Auftragserteilung zur Verteidigung eine Inhaberschaft, nicht jedoch das Eigentum der Festung impliziert. Diese Argumentation wird auch dadurch erhärtet, daß König Bela IV. in der Schenkungsurkunde 1247 für bestimmte Burgen den Orden der Johanniter für deren Unterstützung bei der Verteidigung heranzieht, wobei für das Castrum Leuka vor diesem Zeitpunkt, also bereits vor 1246, der König bereits gesondert eine Verteidigung beauftragt hatte.

Wie dem Inhalt der Urkunde darüber hinaus zu entnehmen ist, herrscht zwischen dem Heerführer Torda und dem magistra tavarnicorum Chak (Csák) eine hierarchisch-verbindliche Beziehung, die einerseits auf der Loyalität zu König Bela IV. gründet, anderseits eine für den Heerführer Torda erforderliche Zeugenschaft des Banus Chak bedingt. Für die erfolgreiche Erfüllung des königlichen Auftrages verbürgt sich Banus Chak gegenüber „Rex Junior“, Stefan V..

 


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland


Der "Kultraum" mit dem Lichtschacht.

 

Auf Grund der gesamt dargestellten Situation - und unabhängig einer Inhaberschaft - wird auch das grundlegende Eigentumsverhältnis der Burg deutlich:

„Castrum Leuka“ gehörte zum Zeitpunkt der Urkundenlage 1260 zweifellos zum Besitzwesen von König Bela IV.

Auf Grund dieser Urkunde und den zu entnehmenden Fakten ist mit Sicherheit davon auszugehen, daß weder ein Eigentumsverhältnis des Ordens der Tempelritter zum Castrum Leuka bestanden hat, noch Mönchsritter die Inhaber der Festung gewesen sind.

Die Position, die magistra tavarnicorum Chak als Zeuge und in Verantwortung gegenüber dem König betreffend der erfolgreichen Verteidigung der Festung durch den Heerführer Torda einnimmt, bietet deshalb hinreichend Grund für die dringende Annahme, daß das Castrum Leuka im Jahre 1260 sich auch rechtmäßig unter der Eigentumshoheit von Banus Chak befindet.

Gerade die zuletzt geäußerte dringende Vermutung wird durch die Urkunde von 1279, BUB II, Nr. 193, der sog. „Besitzteilungsurkunde“ der Adelssippe der Héder nicht nur wesentlich erhärtet, sondern kann eine weitere Beweisführung im Sinne urkundlicher Dokumentation erfahren:

Bei der Güns-Güssinger Grafschaft der Héder handelt es sich um die mächtigste Adelssippe während der Epoche der ungarischen Oligarchie. Um das Jahr 1270 eroberten die Söhne des Banus Heinrich II von Héder unter der Führung des ältesten Sohnes Johann I. von Héder (Iwan von Güssing) von der Stadt Güns aus die Burg Güssing, welches die Grundlage der Herrschaft der Adelssippe über das Komitat Eisenburg und weitere Gebiete entlang des Donauverlaufs bildet.

Im Jahre 1279 teilt Graf Johann I. von Héder seinen Besitz mit seinem Bruder Nikolaus I. von Héder, wodurch obige Urkunde zur Verfassung gelangte.
Der jüngere Bruder des Grafen, Nikolaus I. von Héder wird darin als Eigentümer des „Castrum Leuca“ genannt und darüber hinaus auch als Besitzer der zuordenbaren Güter. Zusätzlich ist der Dokumentation aus dem Jahre 1279 die Bestätigung der Urkunde von 1260 zu entnehmen, wonach Castrum Leuka sich vormals im Eigentum des Banus Chak befunden hat und dieser auch der rechtmässige (Anm.: d.h. vom König festgelegte) Besitzer derselben Güter gewesen ist

„Castrum vero Leuca vocatum similiter cum omnibus villis et tributis ad idem pertinentibus sicut Chak banus possederat in ius et proprietatem Nicolai bani est devotum“

„Die Burg Lockenhaus samt allen zugehörigen Orten und Tributen, gleich wie Banus Chak zu Recht besessen, sollen Banus Nikolaus unterstehen.“

Auch wenn es sich bei dieser historischen Quelle um eine Abschrift eines in der Zwischenzeit abgekommenen Transsumpt handelt, welches im Jahre 1328 angefertigt wurde und auch die Originalurkunde nicht mehr vorhanden ist, bietet der dargestellte Sachverhalt trotz kritischer Prüfung keinen Grund, den angeführten Gegenstand der Urkunde in Zweifel zu stellen:

Es liegt abermals eine dokumentierte Eigentumshoheit über die Burg Lockenhaus vor. Dieser ist zweifelsfrei zu entnehmen ist, daß im Jahre 1279 Nikolaus von Héder in den Besitz der Burg Lockenhaus – „Castrum Leuca“, sowie deren Güter und Tributleistungen gelangt ist, welche vormals magistra tavarnicorum Chak rechtmäßig besessen hat.

Letzteres erlaubt die oben genannte dringende Vermutung nun als bewiesen zu erachten, wonach die Eigentumshoheit über das Castrum Leuka von Banus Chak bereits durch eine vorangegangene Verfügung des Königs Bela IV. um das Jahr 1260 bestanden hat.
In einer allgemeinen Übersicht läßt sich auf Grundlage der Einsicht in die Urkundenlage folgender Sachverhalt darstellen:

Vermutlich am Beginn des 13. Jhd. wird die Burg Lockenhaus – Castrum Leuka erbaut. Für das in der Literatur benannte Eigentum durch „Bana, Obergespan des Soproner Komitates“, erwähnt bei G. Thirring 1912, A. Schermann, 1936 und J.K. Homma, 1961, konnte der urkundliche Nachweis für diese Angabe nicht aufgefunden werden.
Gesichert ist, daß um das Jahre 1246/50 der königliche Auftrag zur Verteidigung der Burg an Heerführer Torda besteht und dieser die Burg vor einer besitzergreifenden Einnahme durch den letzten Babenberger, Friedrich II. erfolgreich bewahren konnte. Mit der Belehnung von Ländereien im Komitat Zara an Heerführer Torda gelangte vermutlich um 1260 Banus Chak (Csák) in den Besitz der Burg Lockenhaus. Banus Chak wird ausdrücklich als ehemaliger und rechtmässiger Besitzer des Castrum Leuka in der erhalten gebliebenen Abschrift einer Urkunde von 1279 genannt, wobei das Castrum mitsamt seinen Gütern in den Besitz des Banus Nikolaus I. von Héder übergeht.

Wie der bisherige Einblick in die vorliegende Urkundenlage über die Epoche von ~ 1246 bis 1279 eröffnet, finden sich keine Anhaltspunkte, Hinweise, Erwähnungen oder Indizien, wonach im 13. Jhd. ein Eigentumsverhältnis der Burg Lockenhaus zu einem Orden bestanden haben könnte oder sich die Burg in einem Nutzungseigentum der Mönchsritter der Templer befunden hat.

Da keine ergänzenden Urkunden weitere Ausführungen über das Castrum Leuka ermöglichen, folgt eine allgemeine zusammenfassende Darstellung des historischen Geschehens:
Um das Jahr 1270 folgten die Auseinandersetzungen des ungarischen Königs Bela IV. gegen die Herrschaftsansprüche des Böhmenkönig Premysl Otakar II. und im nächsten Jahrzehnt die Feldzüge des jungen Königs Ladislaus IV. (1272-1290) gegen die Oligarchiebestrebung und Expansion der Güns-Güssinger. Ab dem Jahre 1285 involvieren sich von den Herzogtümern Steiermark und Österreich aus die „Frühen Habsburger“ in die Kriegshändel auf ungarischem Territorium, deren Truppen von den Feldmarschalls Hermann von Landenberg und Abt Heinrich II. von Admont angeführt werden.

Nach dringender Vermutung und auf Grund der fehlenden urkundlichen Erwähnung muß auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß „Castrum Leuka“ während des 13. Jhds. nicht zu Schaden kam. Die Festung befindet sich auf dem umstrittenen Hoheitsgebiet der um 1279 bereits erstarkten und mächtigen Güns-Güssinger Grafschaft. Unter der Führung von Johann I. von Héder wird in den kommenden Jahren die Adelssippe ihre Position gegen das böhmisch–österreichische Heer des Premysl Otakar II., die ungarisch-königlichen Truppen von König Ladislaus IV. und schließlich gegen die das Komitat Eisenburg bedrängenden Habsburger zu behaupten versuchen.
Im Jahre 1277 erstürmte Johann I. von Héder die Burg Bernstein, die in Folge der unrechtmäßigen Aneignung von königlichem Besitz den König Ladislaus IV. zwingt, gegen die Eigenmächtigkeit der Adelsippe der Héder militärisch vorzugehen.
Im Jahre 1279 gelangt „Castrum Leuca“ in den Besitz der Héder.
Auf dem Hoheitsgebiet der Héder liegt auch die Festung Kobersdorf, die im Jahre 1280 dem Geschlecht der Csák als Lehen überlassen wird.

Die Erfolglosigkeit von Belagerungen und bei Kriegshändeln führen schließlich durch König Ladislaus IV. in den Jahren 1283/84 zur Vertreibung der an der Grenzverhaulinie (Gyepü) der ungarischen Westgrenze der nordwestlich bis westlich von der Burg Güssing stationierten Grenzwächter (Spiculatores) im Stremtal und der Pinkaebene, da sich die Grenzwächter bereits unter der loyalen Hoheit von Johann I. von Héder befinden. Im Jahre 1285 folgen unter habsburgischer Vereinbarung mit König Ladislaus IV. die ersten Kriegshändel durch Habsburger Truppen im Komitat Eisenburg. Feldmarschall Abt Heinrich II. von Admont erleidet empfindliche Niederlagen gegen Johann I. von Héder, ebenso in Folge der schwäbische Feldmarschall Hermann von Landenberg.
Im Jahre 1289 eskalieren die als „Güssinger Fehde“ in die Geschichte eingegangenen Kampfhandlungen, die mit massiven Angriffen und Verwüstungen ganzer Landstriche einhergingen. Im westungarischen Grenzgebiet wurden Landgüter und Befestigungen destruiert, so fielen u.a. die Landgüter und Burgen in unmittelbarer Nähe zur Burg Lockenhaus. Über die Einnahme der Burgen Kobersdorf und Schlaining (u.a) sowie Landgüter wie Pilgersdorf und Pinkafeld berichtet der Zeitgenosse Ottokar von der Gaal in seiner Reimchronik.

Blieb die Burg Bernstein auch für die Habsburger Truppen uneinnehmbar, so finden sich im 13.Jhd. keine Aufzeichnungen, welche die Burg Lockenhaus im Kontext von Kriegshandlungen erwähnen.
Als Besitz der Adelsippe der Héder bildete Castrum Leuka sowohl für den jeweiligen ungarischen König, den Böhmenkönig Premysl Otakar II. um 1270, sowie für die „Frühen Habsburger“ ab 1285 ein Angriffs-. und Eroberungsziel. Die Gründe, weshalb diese Festung intakt geblieben sein dürfte, können daher heute nur vermutet werden: wie z.B., daß eine Vereinbarung mit dem ungarischen König bestand oder die Inhaber durch das Herannahen der Habsburger-Truppe diese bereits geräumt hatten, weshalb keine Kampfhandlungen eintraten, u.dgl...
Auf Grund der bestehenden Urkundenlage ist es aber gänzlich auszuschließen, daß die Festung Leuka deshalb kein Kriegsziel darstellte, weil diese sich im Eigentum einer Ordensbruderschaft befand.

Nach der Jahrhundertwende drohte dem Königreich Ungarn durch die Macht der Oligarchen, allen voran die Adelssippe der Güns-Güssinger und jene der Csák, in 14 Fürstentümer aufgespalten zu werden, als Karl I. Robert von Anjou 1310 zum König von Ungarn gekrönt wird.
Da dem Königreich der Zerfall drohte, entschließt sich der König, den Kampf gegen die Oligarchen mit weiteren Truppenaufgeboten aufzunehmen um eine Wiedererlangung sowohl von königlichem Eigentum wie Autorität durchzusetzen. Auch das Justiz- und Rechtswesen sollte wieder zentralisiert und der Hoheit des Königtums unterstellt werden. Die Justizreform sah die Einführung des Zeugenbeweises (inquisitio communis) sowie eine allgemeine Gerichtsbarkeit (congretation generalis) vor.
Durch seine Regentschaft konnte er vom Klerus jenes Zugeständnis erhalten, welches seinem Großvater mütterlicherseits, König Rudolf von Habsburg, noch 1290 vorenthalten geblieben ist. Die römische Kirche ließ den Anspruch über die Lehenshoheit über Ungarn fallen.

Während die Oligarchen ihre Territorien wie Fürstentümer ansahen und bereits seit Jahrzehnten sowohl über eigene Hofämter wie Gerichtsbarkeit verfügten, nahm der König die Politik der Revinidikation, die Wiedererlangung königlicher Eigentumshoheit und Rechtswesen bereits kurze Zeit nach seiner Krönung in Angriff. Die militärischen Konfrontationen gegen die mächtigen Sippen ereigneten sich 1312 gegen die Aba, 1316 gegen die Borsa, und endeten jeweils zugunsten der königlichen Heere. Nur die nordwestlichen Landesgebiete, jene von der Adelssippe der Csák kontrollierten Territorien und die westlichen Gebiete, entlang des Herzogtums Steiermark, blieben trotz mehrmaliger Truppenaufgebote in den Jahre 1316 und 1319 in den Händen der Adelssippen der Csák und Héder. Schließlich, 1321 verstarb Matthäus III. von Csák, wodurch dessen Besitzungen an die Krone fielen.

Den erfolglosen Kriegshändeln 1326 gegen die Güns-Güssinger unter Johann III. von Héder, der Neffe der in der Zwischenzeit verstorbenen Johann I. von Héder und Nikolaus I. von Héder, folgte schließlich 1336/37 die endgültige Eroberung der Grafschaft durch den königlichen Feldmarschall Alexander Köcski, die Entmachtung Johann III. von Héder und die Vertreibung der Adelssippe. Deren Burg Lockenhaus wurde 1337 erobert und gelangte in den Besitz von Stephan Laczkfi.

Werden sich die Gründe für die Unversehrtheit von „Castrum Leuka“ während der Jahre 1279 bis 1337 kaum mehr erhellen lassen, so gilt es abschließend festzustellen, daß die Festung, die vor dem Jahre 1279 dem Banus Chak (Csák) gehörte, möglicherweise früher auch dem Ritterorden der Templer temporär als Aufenthalt gedient haben könnte, die Bauarchäologie jedoch eher die Annahme einer Baugenese im Kontext mit einem die Kolonisation stützenden Orden im 12.oder 13. Jhd. erlaubt.


Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland Burg Lockenhaus - Castrum Leuka / Burgenland
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Nachwort

 

Überlegungen zur Baugenese der Festung

Auf Grund der Urkundenlage und Kenntnisse der regionalen Geschichte und Ereignisse konnte der Nachweis des Eigentumsverhältnisses der Burg Lockenhaus im 13. und Beginn des 14. Jhd. geklärt werden, wobei der Volkssage „Die Templerbluthalle von Lockenhaus“ der Status einer Dichtung zugesprochen werden kann.

Auf Grund der allgemeinen verbesserten Urkundenlage im 14 Jhd.- die Rechtslage der Kolonisation wurden geregelt, die Rechte der Kolonisten verbrieft, ebenso die lokalen Besitzverhältnisse neu geordnet und erstmals die Grenzen der einzelnen Liegenschaften erfaßt, u.v.m.- ist es möglich, die Historie der Burg Lockenhaus nach 1337 weiterhin zu verfolgen.

Betreffend der Baugenese gilt es anzumerken, daß bedauerlicherweise keine Publikationen über bautechnische und bauarchäologische Befunde aufzufinden waren und selbst die Frage, ob diesbezügliche Forschungen bisher vorgenommen wurden, muß weiterhin offen bleiben. Deshalb können lediglich Vermutungen über die ursprüngliche Entstehung getroffen werden.

Auch wäre eine Klostergründung im Zuge des Kolonisationswesen zu berücksichtigen. In der vorliegenden Literatur gelangte zur Erwähnung, daß die Festung bereits vor dem 13. Jhd. errichtet worden sein könnte und ursprünglich als Klosterfestung angelegt wurde. In unmittelbarer Nähe des „Castrum Leuka“ liegt die Gemeinde Pilgersdorf, deren Gründung als „Brunnaron“ sich auf das 9 Jhd. datieren läßt. Um das Jahr 1200 nannte die Liegenschaft eine beachtenswerte romanische Kirche ihr eigen, deren imposante Ruinen heute noch besichtigt werden können. Weshalb diese historische Liegenschaft, deren Rodungsbauern in einfachen Holzhütten lebten über eine massive Kirche verfügte, die eine Grundfläche von 320 m² einnahm, blieb bis heute ebenfalls ungeklärt.

Betreffend der Wahl des Bauorts wäre für weitere Überlegungen die allgemein bekannte mittelalterliche Praxis heranzuziehen, ehemalige heidnische Kultstätten der Kelten zu „christianisieren“, indem Sakralbauten an solchen, meist auf Hügelkuppen gestalteten Plätzen, errichtet wurden. Eine derartige Annahme könnte der Fund des sog. „Tabernakelsteins“ in der Burg Lockenhaus bieten, der hinsichtlich der Form, Darstellung und Bearbeitung jenen von keltischen Kultsteinen sehr ähnelt.
Die bauarchäologischen Besonderheiten, insbesondere die Architektur des Apsidenraum und des „Rittersaals“ des Castrum Leuka finden sich nicht nur in Festungen der Kreuzritter in Syrien und Palästina, sondern auch sehr häufig in den mittelalterlichen Klosterbauten, wie z.B. bei jenen der Zisterzienser. Auch deshalb ist die Annahme einer Baugenese von einer Klosterfestung in die nähere Betrachtung zu ziehen, welche die Kolonisation unterstützte und ein Bauwerk schuf, dessen Architektur noch Jahrhunderte später in stiller Zeugenschaft darüber berichtet.

Helmut Windisch, Purkersdorf, Mai 2006

Fotos: Markus Hauser, Burgenkunde.at

 

Der Autor des vorliegenden Artikels „Burg Lockenhaus - Castrum Leuka “, Helmut Windisch, arbeitet als Psychotherapeut in eigener Praxis in Wien.

Über den Autor: www.praxis-kathan-windisch.net

 

Weitere Publikationen des Autors bei Burgenkunde:

www.Pilgersdorf.Burgenkunde.at
www.GuessingerFehde.Burgenkunde.at
www.CastrumOlber.Burgenkunde.at

 

Literatur- und Quellennachweis:

Lindeck-Pozza, Irmtraud (Hrsg.): „Burgenländisches Urkundenbuch I & II“, Graz-Köln,1965
Thirring, Dr. Gustav: „Führer durch Sopron und die Ungarischen Alpen“, Sopron 1912
Stephan, Dr. Eduard: Festschrift „Burgenland“, Wien 1920
Hormayr & Mednyansky (Hrsg.): „Taschenbücher für die Väterländische Geschichte“, Wien 1824
Homma, Josef K.: „Burgenlands Burgen und Schlösser“, Wien 1961
Martinic, Georg C.: „Österreichisches Burgenlexikon“ LVL- Linz 1991
Kunnert, Heinrich: „Die Güssinger Fehde“, Burgenländische Heimatblätter, 2.Jg., Heft 3&4, Eisenstadt 1933
Schermann, Pater Aegyd: „Geschichte von Lockenhaus“, Pannonhalma 1936
Lajta, Dr. Hans: „Burgenland - Ein Kunst- und Kulturlexikon“, ÖBV- Wien, 1983
Keller, Paul A.: „Burg Lockenhaus“, Graz 1969



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