Einblick in die Entdeckung von "Castrum Olber"
Die im vorliegenden Buch „Castrum Olber“ beschriebene Entdeckung gründet auf der phänomenologischen Dissonanz von volkstümlicher Überlieferung und historischen Forschungen, deren Klärung sowohl die Erhellung phänomenaler Inhalte der Überlieferung wie auch die Berücksichtigung aktueller geschichtswissenschaftlicher Forschungen und Erkenntnisse erfordert.
Die als „Güssinger Fehde“ in die Geschichte eingegangene Epoche ist einerseits als eine innenpolitische Auseinandersetzung des Königreichs Ungarn mit der sich entwickelnden Oligarchiebestrebung der Adelssippen und andererseits als militärische Attacke gegen die Günser (Güssinger) Grafschaft durch Herzog Albrecht I. von Habsburg zu definieren, wobei Gebiete östlich des Herzogtums Steiermark und Österreichs in den Jahren 1289 bis 1291 unter habsburgische Hoheit gelangten. Jene Ländereien gehören heute zum österreichischen Bundesland Burgenland und liegen entlang der steirischen Grenze. Die angeführten Orte Olbendorf und Litzelsdorf befinden sich nördlich und nordwestlich der südburgenländischen Stadt Güssing.
Als Stütze der These, wonach Habsburger Truppen Grenzfestungen im okkupierten westungarischen Grenzkomitat Eisenburg errichteten, gelangen im Buch neben historischen Urkunden aus den Jahren 1271, 1281, 1291 die Herkunft von folgenden historischen Bauten zur Diskussion:
• Der Wallbau „Litzelsdorfer Ringwall“,
• die Festungsanlage „Castrum Olber“ beim historischen Landgut „Alberndorf“- Olbendorf,
• dessen historischer Friedhof und romanische Kirche Hl. Laurentius, sowie
• das vorübergehende Bestehen einer historischen Pfarre,
wobei die lokale volkstümliche Überlieferung und Sage, deren Entstehung dem historischen Landgut „Alberndorf“ zuordenbar ist, zur Grundlage der These herangezogen wird.
Bilder vom Burgstallanger Castrum Olber, März 2005. Fotos: Markus Hauser
Neben dem Sachverhalt, daß die Wall- und Grabenbauten auf Grund historischer Forschungen dem 13. Jhd. zugeschrieben werden, wurden die verbliebenen Burgstallanger beider Festungen seitens der Landesregierung zu Bodendenkmälern erklärt. Darüber hinaus finden sich architektonische Analogien, indem trotz jeweils vorhandener Hügelkette beide Festungsbauten in der Nähe einer Ansiedlung errichtet wurden:
a)
Die „Ringwall-Festung“ in der Nähe der ehemaligen westlichsten Grenzwächtersiedlung „Lödösfalva“-Litzelsdorf, vermutlich inmitten des Waldes,
b)
die Anlage „Castrum Olber“ beim Landgut „Alberndorf“-Olbendorf am Fuße eines Nordhangs. Beide Burgstallanger dürften also in der selben Epoche unter Ausführung gleicher Kriterien entstanden sein, wobei über beide Festungsbauten bisher keinerlei bezugnehmende historische Urkunden vorliegen.
In den Jahren der „Güssinger Fehde“ änderte sich von 1289 bis 1291 insofern der Status des Landguts „Alberndorf“, da dieses als Grenze zum Herrschaftsbereich der Günser Grafschaft und deren Grenzwächtersiedlung „Ewr“ –Rauchwart zu einer strategischen Bedeutung gelangte. Der dargestellte Sachverhalt forciert die Annahme, daß sowohl die Festung „Litzelsdorfer-Ringwall“ wie auch „Castrum Olber“ nicht der Günser Grafschaft angehörte und deren Errichtung insofern auf Habsburger Truppen verweist, als beide Festungen direkt an der Grenze zum Hoheitsgebiet der über eigene Streitkräfte verfügenden Günser Grafschaft errichtet wurden.
In Norddeutschland, genauer im Nienthal von Lütjenburg, begann man 2004 damit, eine Rekonstruktion eines Wehrgehöftes aus der Zeit um 1250 zu errichten. Diese Turmhügelburganlage versteht sich als lebendes Museum und avancierte in den vergangenen Jahren zum bedeutenden Mittelalterzentrum Schleswig-Holsteins. Diese Anlage ist durchaus mit jenen im Österreichischen Raum, speziell auch mit Castrum Olber, zu vergleichen. Der einzige Unterschied besteht womöglich lediglich darin, das die Turmhügelburgen der Normannen ausschließlich aus dem Aushubmaterial des Grabens aufgeworfen wurden, wobei das Kernwerk des Castrum Olber teilweise aus Aushubmaterial besteht und teilweise aus dem Hang geschnitten wurde, was es um einiges größer machte als das Kernwerk der Rekonstruktion der Norddeutschen Turmhügelburg. Zur Veranschaulichung, wie die rekonstruierte Turmhügelburg aussieht, die sich sehr genau nach vorhandenen Vorlagen, archäologische Erkenntnissen und den erfahrenen Mitwirkenden richtet, und wie auch Castrum Olber einst ausgesehen haben dürfte, genehmigte uns Herr Wilhelmy von der Gesellschaft der Freunde der mittelalterlichen Burg in Lütjenburg e.V. (www.turmhuegelburg.de) die Veröffentlichung der folgenden Bilder. Recht herzlichen Dank dafür an dieser Stelle.
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Die in Norddeutschland im Nienthal von Lütjenburg rekonstruierte Turmhügelburg erhebt sich auf einem künstlichen Kernwerk, das aus dem Aushubmaterial des umlaufenden Grabens besteht. Davor liegen ebenfalls rekonstruierte Wirtschaftsgebäude. Ähnlich könnte es sich auch mit der Anlage Castrum Olber verhalten haben.
Foto: www.turmhuegelburg.de |
Die Kirche und Pfarre „Hl. Laurentius“ in „Alberndorf“
Zur Zeit der „Güssinger Fehde“ existierten im zentralen Gebiet der Günser Grafschaft hauptsächlich Landgutkirchen aus Holz. Die vorhandene Kirche und deren Turm aus Stein in Olbendorf gelangt erst 1385 zur urkundlichen Erwähnung. Auf Grund von bauarchäologischen Erkenntnissen konnte die Feststellung getroffen werde, daß am Erbauungsort der heutigen Kirche mehrere romanische Vorgängerbauten vorhanden waren.
Dieser Sachverhalt wirft die Frage auf, weshalb ein kleines Landgut im 14. Jhd. eine romanische Steinkirche ihr eigen nennt und anstelle einer konventionellen Erbauung in der Ebene oder Anhöhe diese am südlichen Abhang, unterhalb der flachen Hügelkuppe des sog. „Kirchberges“ plazierte, insbesondere da die erforderlichen Erdbewegungsarbeiten zur Schaffung einer Ebene für den Kirchenbau und das umgebende Friedhofsgelände einen erheblich erschwerenden Aufwand verursachten. Zusätzlich ist die Herkunft des historischen Pfarrhauses im Landgut, sowie die Gründe für die dringend vermutete Existenz einer eigenen Pfarre ungeklärt.
In der These wird die Option aufgegriffen, ob die aufwendige Bauweise der Kirche im Kontext mit der Erbauung von „Castrum Olber“ ~1287-1291 erfolgt sein könnte. Beide lokalen Bauwerke benötigten Erdbewegungsarbeiten und Flächenrodungen in Vorbereitung zu einer Massivbauweise, wobei der Bauort der Kirche die idealen Bedingungen für einen Festungsbau des 13. Jhd. erfüllt hätte.
Die lokale Überlieferung und Sage
Liegen bisher keinerlei historische Beweisführungen, weder über den Ursprung des Kirchenbaus „Hl. Laurentius“, der historischen Pfarre, der Litzelsdorfer - „Ringwall-Festung“ noch über „Castrum Olber“ vor, so finden sich in der von E. Bauer aufgezeichneten Überlieferung bemerkenswerte Hinweise. Auch die populäre lokale „Sage von der versunkenen Glocke“ bezieht sich auf ein beim Landgut vorhandenes Castrum, bleibt aber - wie die traditionelle Überlieferung - jedem gesicherten historischen Kontext enthoben.
Diese Divergenz wird deutlich, indem die Überlieferung neben korrekten geografischen Angaben sowohl von einem Aufstieg des Landguts zur „Stadt Ulm“ als auch von einem „Herabsinken zu einem Dorfe“ spricht. Auch – so die Überlieferung – lautete der historische Name des kleinen Landguts „Ulmendorf“. In Übereinstimmung mit der Überlieferung findet sich das Castrum und dessen Nebengebäude - die „Stadt Ulm“ - und das Landgut im selben Seitental, welches aus phänomenologischer Sicht der lokalen Sage ebenso zu entnehmen ist.
Der Sage ist immanent, daß bei dem sagenbegründenden Ereignis die Festungsanlage unzerstört, aber auch unbewohnt vorhanden ist. Eine phänomenologische Annäherung an die Inhalte der volkstümlichen Erzählungen erlauben die begründete Annahme, daß eine Zerstörung des Castrum in der „Güssinger Fehde“ 1289, nicht stattgefunden hat und stützt ergänzend die These, wonach das Castrum von Habsburger Truppen beim okkupierten Landgut errichtet und von diesen 1291 akut verlassen wurde.
Dr. Helmut Windisch
www.praxis-kathan-windisch.net
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