ein Gespräch. In seinem Buch beschreibt Helmut Windisch die von ihm vertretene These, wonach ein vorhandener Burgstallanger im südlichen Teil des österreichischen Bundeslandes Burgenland, nördlich der Stadt Güssing, zu einer bisher unentdeckten Niederlassung und Festungsanlage der "Frühen Habsburger" gehört.
Der Autor folgte der Einladung von Burgenkunde zu einem Interview, bei dem der Inhalt des Buches zu weiteren Ausführungen gelangt.
Zur Einführung
Im Jahre 1289 bildete die heutige östliche Grenze der österreichischen Bundesländer Steiermark und Niederösterreich die Nationsgrenze zum Königreich Ungarn. Angrenzend an das Herzogtum Steiermark lag das westungarische Komitat Eisenburg, dessen Beherrscher die Güns-Güssinger Grafschaft war. Die Adelssippe aus dem Geschlecht Héder eroberte unter Johann I., genannt Ivan „der Rote Ritter“ oder „Iwan von Güssing“ um 1270 die Burg Güssing, welche ihre Vorfahren, die Brüder Wolfger und Hedrich von Héder um 1150 im Zuge der Kolonisation begründet hatten. Diese Adelssippe unterhält in den Jahren der „Güssinger Fehde“ bereits eine eigene Streitmacht, wodurch Johann I. von Héder, dem eigenen ungarischen König militärisch entgegentreten konnte. Ihr größter Einflußbereich reichte im Süden entlang des Flusses Drau, im Osten bis zum Verlauf der Donau um im Norden bis nach Preßburg.
Nach mehrmaligen Einfällen der Truppem von Johann I. von Héder in die Herzogtümer Österreich und Steiermark eskalierten die Kämpfe und Kriegshändel im Jahre 1289. Unter massiven Verwüstungen und Zerstörungen okkupierten Habsburger Truppen die Stadt Güns und die an die Herzogtümer angrenzenden westungarischen Gebiete bis direkt vor Burg Güssing.
Diese okkupierten Ländereien mußte Herzog Albrecht I. von Habsburg im Jahre 1291 an Andreas III., dem König von Ungarn, zurückerstatten. Von 1291 an blieb dieses Gebiet bis zum Jahre 1921 ungarisches Staatsgebiet.
Burgenkunde: Hr. Windisch, Sie versuchen in Ihrem Buch Ihre Ansicht argumentativ zu stützen, wonach es sich bei „Castro Olber“- wie die regionale Bezeichnung des Burgstallangers lautet - um einen Festungsbau der Habsburger handelt. Lesen wir aber bei offiziellen heimatkundlichen Publikationen über „Castro Olber“ nach – ich zitiere die Angaben der Gemeinde Olbendorf und jene des Historikers W. Meyer - so ist von einer kleinen Hausbergfestung die Rede, welche bei den Kämpfen der Güssinger Fehde im Jahre 1289 von Habsburger Truppen zerstört wurde.
Wie ist es möglich, daß ein derart elementarer Sachverhalt von Historikern anders interpretiert bzw. bisher nicht wahrgenommen werden konnte?
Windisch: Natürlich bin ich mir bewußt, daß die von mir vertretene These vorerst einmal Skepsis auslösen muß. In der Regel werden historische Entdeckung ja nur auf zwei Wegen möglich: Entweder durch archäologische Funde oder auf Grund der Entdeckung, Ausarbeitung oder Fachinterpretation von historischen Dokumenten oder Urkunden. Beides trifft hier deshalb nicht zu, da meine ursprüngliche Zugangsweise eine andere war. Ich wendete mich einer regional sehr bekannten Sage zu, durch deren Analyse ein Sachverhalt zu entnehmen ist, welcher allerdings konträr zu den bekannten heimatkundlichen Forschungsergebnissen steht.
Burgenkunde: Auch wenn Sagen grundsätzlich zu Volkstum und Heimatkunde gehören, so können diese erfahrungsgemäß nur selten zu einer Annäherung an die Historie herangezogen werden. Wie wir wissen, müssen wir mit deutlichen Veränderung bei Erzählungen binnen zwei bis drei Generation rechnen. Was gibt Ihnen nach über 700 Jahren den Grund so sicher sein zu können, daß diese Sage einen historischen Sachverhalt wiedergibt und Sie diesen als Ausgangspunkt Ihrer Nachforschungen ansehen dürfen?
Windisch: Nun, genau genommen liegt der besagte Anhaltspunkt eigentlich gar nicht in dem von der Sage aufgezeigten Inhalt, sondern in den kolportierten und dargestellten Umständen. Anders gesagt: in der Sinnhaftigkeit der Sage. Die Festung selbst wird in der Sage gar nicht direkt erwähnt, sondern nur deren Burgturm und Glocke. Die dargestellte Handlung ist allerdings ausnahmslos nur dann sinnvoll, wenn zum Zeitpunkt des dargestellten Ereignisses eine intakte, unzerstörte und für die Landgutbewohner zugängliche Burg vorhanden ist.
Burgenkunde: Sie meinen, beim sagenbegründenden Geschehen war die Burg verlassen aber völlig intakt vorhanden und wurde demnach nicht von den Habsburger Truppen zerstört. Selbst wenn wir die Idee einer intakten Burg aufgreifen, wird es gesicherte Fakten brauchen, die das historische Geschehen erhellen können.
Windisch: In Folge war ich - von der besprochenen ideellen Möglichkeit ausgehend - bemüht, weitere historisch gesicherte Sachverhalte in Erfahrung zu bringen. Tatsächlich stimmen die bauarchäologischen Erkenntnisse mit den Aussagen in der Sage dahingehend überein, als das gemauerte Hauptgebäude über einen Burgturm verfügte. Deshalb stellte sich zum Beispiel für mich die Frage, weshalb die intakte Burg verlassen wurde, wann dies geschehen sein könnte und welche Umstände dazu geführt haben.
Da die regionalen Ereignisse keine plausible Erklärung bieten konnten, bedurfte es der Auseinandersetzung mit den Ereignissen im Herzogtum Österreich, welche im Kontext zur „Güssinger Fehde“ stehen, genauer gesagt mit deren Beendigung im Jahre 1291.
In diesen Anfängen, den ersten Überlegungen zur Thesenbildung, galt es neben den historischen nun auch den bauarchäologischen Forschungsergebnissen Rechnung zu tragen. Entgegen der weiterhin verbreiteten landläufigen Ansicht, handelt es sich nämlich bei „Castrum Olber“ um keine Festung aus Holz, weshalb die Gründe für die Errichtung sowie das freiwillige Verlassen der Festung sehr bedeutsam gewesen sein müssen.
Burgenkunde: In Ihrem Buch „Castrum Olber“ eröffnen Sie auch das Thema, indem Sie zuerst auf die allgemeine Geschichte Bezug nehmen. Sie zeigen auf, wie der Osten des Habsburgerreichs, die sog. „Süddeutschen Fürstentümer“, in das Zentrum der politischen Aktivitäten der „Frühen Habsburger“, König Rudolf I. von Habsburg und sein Sohn Albrecht I. Herzog von Österreich und der Steiermark, rückten. In den folgenden Kapiteln greifen Sie dann die allgemeine Geschichte des Königreichs Ungarn und dessen Grenzkomitat Eisenburg, sowie das kirchliche Kolonisationswesen des 13. Jhd. auf. Wie steht dies im Zusammenhang mit einer von Ihnen angenommenen intakten und verlassenen Burg auf ungarischem Boden?
Windisch: Ja, die in den Kapiteln eingenommene Perspektive halte ich sowohl als Einführung, als auch für ein Verständnis für diese Zeit als unerlässlich. Ich thematisiere die allgemeine Geschichte im Hinblick auf die Kulturleistungen, politische Entwicklungen, die Kolonisation sowie kriegerische Konflikte. Daraus resultiert ein Grundverständnis über das historische Geschehen des 13. Jhd., und eine Einsicht in die regionale mittelalterliche Entwicklung, welche ja in dieser Epoche in Europa sehr unterschiedlich verlaufen ist. Anschließend folgen Beschreibungen der historischen Kulturleistungen im westungarischen Grenzland, der mittelalterliche Geschichte der Burg Güssing und der Zuwanderung des Geschlechts der Héder, deren Adelssippe am Ende des 13. Jhd. zu den bedeutendsten ungarischen Oligarchen aufsteigt, bis hin zu historischen Funden in dem vorwiegend mit deutschen Kolonialisten besiedelten Grenzland.
Habe ich vorhin erklärt, daß mein ursprünglicher Ausgangspunkt ein einer Sage immanenter Sachverhalt war, so folgte daraus für mich zwingend die Erfordernis zu historischen Klärungen.
Burgenkunde: Uns ist aufgefallen, daß Sie neben dem Einblick in die überregionale Entwicklung die kontextualen historischen Geschehnisse dahingehend ausführen, als diese einen möglichen Grund für das akute Verlassen des „Castro Olber“ anzunehmen erlauben. Sie beziehen sich auf den „Friedensschluß von Hainburg“ im Jahre 1291, zwischen Herzog Albrecht I. von Habsburg und Andreas III, König von Ungarn, wo die seit 1287 umkämpften und seit 1289 unter Habsburger Hoheit stehenden westungarischen Länder wieder an das Königreich Ungarn zurückgegeben werden mußten....
Windisch: Ja, diese Vereinbarung würde ein ausreichendes Motiv für Gefolgsleute der Habsburger bilden, das westungarische Gebiet zu verlassen. Außerdem gehen mit diesem Friedensschluß zwei relevante historische Ereignisse einher: Einerseits ein bestehendes Bündnis gegen Herzog Albrecht I. von Habsburg zu dessen Entmachtung, anderseits die von König Rudolf versuchte Zuordnung des Königreich Ungarn zum Hl. Röm. Reich. Der Verzicht Herzog Albrechts I. auf das von König Rudolf geforderte Hoheitsrecht war Gegenstand der Verhandlungen beim „Friedensschluß von Hainburg und Preßburg“ im August 1291.
Aber auch die Heimatkunde eröffnet Widersprüchlichkeiten. Wie der Urkundenlage zu entnehmen ist, wurde die Burg Güssing, welche bis um 1250 ein Holzbau gewesen ist von Moritz von Pók zu einer Massivfestung umgebaut, wofür er um 1260 mit der Burgherrschaft belehnt wurde.
In mehreren heimatkundlichen Publikationen wird die Existenz von „Castro Olber“ mit dem Jahre 1271 in Bezugnahme zu einer Urkunde des Komitats Eisenburg angegeben. Unter Beiziehung eines Experten der lateinischen Sprache konnte der Nachweis gelingen, daß diese Urkunde von 1271 keinerlei Hinweis auf die Existenz eines Castrum enthält. Anderseits ergibt sich der Sachverhalt, wonach gesicherte bauarchäologische Erkenntnisse vorliegen, daß es sich um einen mittelalterlichen Bau handelt, welcher vor dem 14. Jhd. erbaut wurde und das Hauptgebäude der Festungsanlage aus Stein und Mauerwerk bestanden hat.
Nachdem also die zentrale Burg dieses Gebiets von einer Holzburg zu einer Massivburg umgebaut wurde, findet sich gleichzeitig in der Nähe eine weitere massive Festungsanlage, worüber bis heute keinerlei Urkunden oder Dokumentation vorliegen.
Burgenkunde: Könnte nicht zutreffen, daß zwar besagte Urkunden vorhanden waren, diese aber bei den sehr häufigen Machtwechseln im 13. & 14. Jhd. und den Burgenübernahmen verloren gegangen sind? Burgenkunde kennt zahlreiche Beispiele, wo neue Herrscher die Spuren Ihrer Vorgänger beseitigten.
Windisch: Natürlich gilt es dies zu berücksichtigen. Insbesondere wird Ihre Vermutung durch die habsburgische Urkunde, die „Continuatio Vindobonensis“ 1291 noch gestützt, welche die Destruktionen der Landgüter durch die Habsburger bei der „Güssinger Fehde“ auflistet. „Alberndorf“, so wurde das Landgut im 13. Jhd. genannt, wird in dieser Urkunde neben „Stegraifebach“ (Stegersbach) angeführt. Wie durch heimatkundliche Forschungen festgestellt werden konnte, dürfte Stegraifebach von den Habsburgern vollständig destruiert worden sein.
Als mir dieser Umstand bekannt wurde, stellte ich natürlich meine Ausgangsposition, wonach in Alberndorf eine verlassene Festung vorhanden gewesen sein soll, in Frage. Aber dann entdeckte ich die Niederschrift der lokalen Überlieferung, wodurch sich meine Einstellung wieder änderte. Der Schuldirektor vor Ort brachte nach den Kriegsjahren die traditionelle Überlieferung zu Papier. Den wenigen Angaben ist zu entnehmen, wonach das Landgut „Ulmendorf“ geheißen haben soll und die „Stadt Ulm“ gewesen ist. Außerdem wird darin erwähnt, daß das Landgut zu einem Dorfe „herabsank“, ohne daß die Bevölkerung die Gründe kannte.
Burgenkunde: Nun, eine vorhandene Urkunde benennt die Liegenschaft als zerstört, eine bis ins 20. Jhd. mündlich übermittelte Überlieferung spricht von der Existenz einer „Stadt Ulm“. Wie ist dieser offensichtliche Widerspruch zu klären?
Windisch: Hier bietet sich an davon auszugehen, daß die Erwähnung von Alberndorf in der „Continuatio Vindobonensis“ nicht unbedingt bedeutet, daß das Landgut zerstört, sondern nur okkupiert wurde. Dann wäre es legitim, die Aussagen der Überlieferung nicht als Legende ab- zutun, sondern – wenn auch nur hypothetisch - als historischen Bericht zu betrachten. Auf diese Weise wären eine Reihe offener Fragen geklärt, z.B. wie es in Folge dazu kommen konnte, daß in zahlreichen historisch-heimatkundlichen Publikationen von einer 1289 zerstörten Burg in Alberndorf berichtet wird.
Burgenkunde: Das Landgut wird um 1289 also nicht von Habsburger Truppen zerstört, sondern von diesen annektiert. Dem folgt der Bau einer Festungsanlage, deren Hauptgebäude mehrstöckig war und aus Stein errichtet wurde. Aber die Überlieferung spricht vom „Aufstieg zur Stadt Ulm“. Wo sollte diese Stadt gewesen sein, welche Fakten stützen die Historizität der Überlieferung?
Windisch: Im Jahre 1385, also beinahe 100 Jahre nach der „Güssinger Fehde“ wird im Zuge der Grenzziehungen zwischen den Landgütern erstmals die Landgutkirche von Olbendorf urkundlich erwähnt. Hier fällt auf, daß das auch für damalige Verhältnisse kleine Landgut über eine Kirche aus Stein, und nach dringender Vermutung im romanischen Stil erbaut, verfügt. Nur um die Bedeutung dieses Sachverhalts zu demonstrieren: Im 16 Jhd. wurde in rd. 10 km Entfernung von kroatischen Einwanderern das Dorf Stinatz gegründet, deren Kirche bestand bis zum Jahre 1818 aus Holz. Die Kirche in Alberndorf hatte nicht nur gegen Osten eine gerundete Apsis, sondern auch ein Pfarrhaus, weshalb einige Autoren die Vermutung äußerten, daß die dem „Hl. Laurentius“ geweihte Kirche auch eine Pfarre gewesen sein muß.
Burgenkunde: Sie vertreten also die Meinung, daß die 1385 vorhandene Kirche auf die Absicht einer Stadtgründung um das Jahr 1289 zurückreicht und in dieser Epoche auch die von Historikern vermutete eigene Pfarre existiert hat. Das belegt zumindest, daß die Überlieferung historische Elemente enthalten kann, wobei bisher sowohl das Verlassen des unzerstörten Castrum, als auch die Existenz einer massiven Kirche eine Erklärung finden. Welche Überlegungen ergaben sich für Sie daraus?
Windisch: Wenn wir uns dem Bauort der Kirche zuwenden, so ist auffallend, daß dieser nicht auf dem Plateau eines Hügels, sondern wenige Höhenmeter darunter erbaut wurde. Dieser Umstand erzwingt die Frage, weshalb die Kirche auf einem der höchsten Hügeln errichtet wurde und der Bauort der Festungsanlage im eigentlichen nicht annähernd den mittelalterlichen Kriterien folgte. Der Bauort der Kirche und der Festung sind quasi „vertauscht“.
Burgenkunde: Ihre Indizien wie die bauarchäologischen Erkenntnisse sind in Ihrem Buch detailliert ausgeführt. Wenn wir aber bei der Annahme bleiben, daß es sich bei Ihren Entdeckungen tatsächlich um eine von den Habsburgern geplante Errichtung einer mittelalterlichen Stadt handelt. Welche Betrachtungen konnten Ihre Argumentationsführung bekräftigten?
Windisch: Betreffend dem Bauort des Burgstallangers gilt es festzustellen, daß dieser sich in einem Seitental am Fuße eines Hügels befindet. Zusätzlich ist dieser Richtung Norden angelegt und um mit der Erbauung beginnen zu können, waren vorerst Aufschüttungen von 2400m³ vorgenommen worden. Somit ergibt sich das Bild, daß in einem Seitental eine Festung erbaut wird, aber nicht wie im 13. Jhd. üblich auf einer Hügelkuppe oder einem repräsentativen Ort, sondern in einem dunklen, lichtarmen Seitental, am Fuße eines Hügels.
Andererseits findet sich vor Ort auf einer der höchsten Erhebungen eine romanische Kirche, welche dem Hl. Laurentius, dem Siegheiligen der Schlacht gegen die Ungarn im Jahre 955, geweiht ist und deren Turm ein doppelbalkiges Kreuz trägt, ohne daß hierfür ein kirchengeschichtlicher Anlaß auszumachen wäre.
Aber folgen wir der besagten Überlieferung. Gemäß den wenigen Aussagen soll sich auf der gegenüberliegenden Seite des Tales, bei einem Abhang in nordwestlicher Richtung mit der Bezeichnung Eisenberg ein Meyerhof befunden haben, der von den Edelleuten errichtet worden sein soll. Wie mir erzählt wurde, konnten vor Jahren am Abhang tatsächlich Reste eines Holzbaus gefunden werden, dessen Alter sich aber leider nicht eindeutig bestimmen ließe.
Ein weiteres Detail vor Ort wurde durch den Einbau des Heiztanks für die Kirche im Jahre 1962 ersichtlich, wodurch direkt an deren westlichen Außenwand eine Grube von rd. 2 m Tiefe ausgehoben wurde und dabei unerwartet Gräber aufgefunden wurden. Dieser Umstand dürfte beweisen, daß die Grabmale sich direkt an der Kirchenwand befunden haben und die westliche Außenwand einen Teil der Mauer der historischen Kirche enthält oder auf deren Grundmauern errichtet wurde. Historischen Aufzeichnungen aus dem 17. Jhd. ist auch zu entnehmen, wonach die romanische Kirche vom Friedhof und einer Umzäunung umgeben war. Das bedeutet, daß der Richtung Osten getätigte Anbau der Kirche im 19. Jhd. auf dem historischen Friedhof des Landguts errichtet wurde.
Burgenkunde: Das bedeutet für Sie, daß für alle in der Überlieferung getätigten Angaben sich auch entsprechende Baulichkeiten zuordnen lassen, welche Sie als Teil eines mittelalterlichen Städtebaus interpretieren. Was meinen Sie gehörte noch alles zu dem von Ihnen im Buch so benannten baulichen „Gesamtkonzept“?
Windisch: Neben den heute noch bestehenden Überresten vor Ort erwähnt die Überlieferung, daß im Seitental des Castrum sich weitere Wohnstätten der Adeligen befunden haben sollen. Allerdings waren die erwähnten „Schutthügel“ für mich nicht mehr auffindbar. Feststellbar ist jedoch, daß „Ulmdorf“ von 1289 bis 1291 die südöstlichste Grenze des okkupierten Gebietes zur mächtigen Güns-Güssinger Grafschaft und deren Grenzwächtersiedlung „Ewr“ (Rauchwart) bildete. Der nordwestlich gelegene Nachbarort Litzelsdorf war in dieser Zeit eine Grenzwächtersiedlung, deren Wächter vertrieben wurden. Außerhalb des Ortes findet sich inmitten von Wald die Ringwallfestung. Der Wallbau ist unbekannter Herkunft und kann auf Grund der ehemaligen hölzernen Bauten - ein- oder zweireihige Palisaden, ein kleineres Gebäude, ein Brunnen und ein Wächterstand - nicht als vollwertige Festung angesehen werden. Da diese Ähnlichkeiten zur Festungsanlage „Castrum Olber“ aufweist und von dieser Festung möglicherweise ein direkter Weg nach Ulmdorf bestanden hat, verfolge ich die Ansicht, wonach dieses Bauwerk als eine Sammel- od. Rückzugsfestung der Habsburger Truppen gedient haben könnte. Aber ich möchte ausdrücklich betonen, daß ich – im Unterschied zu „Castrum Olber“- über keine weiteren Quellen verfüge und es sich somit um eine bisher nicht erhärtete Vermutung handelt.
Burgenkunde: In Ihrem Buch haben Sie erwähnt, daß es Ihnen gelungen ist, historische Landkarten aufzufinden, in welchen erstmals Ulmdorf verzeichnet ist. Wäre es Ihnen möglich auf diese Dokumentation einzugehen und auszuführen, weshalb der Karteneintrag eines „Ulmdorf“ als beweisführend anzusehen ist?
Windisch: Bei dieser historischen Karte handelt es sich um eine Arbeit von Georg Matthaeus Vischer, „Topographie archiducatus austriae inferioris modernae“ aus dem Jahre 1672, welcher bei der Anfertigung auf ältere Karten zurückgegriffen hat. Die „Austriae ducatus chorographia“ von Wolfgang Lazius, gez. vor 1545, bildete die Grundlage für die Eintragung von „Ulmdorf“. Allerdings gilt es festzustellen, daß zwar auch W. Lazius „Ulmdorf“ nördlch von Güssing verzeichnete, das Landgut Petersdorf jedoch, der heutige Ort Großpetersdorf, bereits auf steirischem Gebiet eingetragen ist. Diese Grenzziehung würde jener des bei der Güssinger Fehde okkupierten Gebietes entsprechen.
Diese Karteneinträge erhalten dahingehend eine annähernde Beweisführung, da, wie eine Überprüfung ergeben hat, keinerlei ungarische Urkunden existieren, welche „Ulmdorf“, o.ä., erwähnen und auch dem seit dem Jahre 1009 existierenden Bistum Raab/Györ keine urkundliche Nennung eines Ortes dieses Namens vorliegt. Da seit dem Jahre 1291 die Liegenschaftsbezeichnung „Ulmdorf“ nicht mehr gebräuchlich war, legt dies zwingend nahe, daß Wolfgang Lazius bei seinen rd. 250 Jahren später vorgenommenen Eintragungen sich auf habsburgische Quellen bezogen haben muß.
Historisches Foto von Olbendorf aus dem Jahre 1927,
welches ein "Kaffee und Restaurant zur Stadt Ulm" zeigt.
Burgenkunde: Nun, da neben den historischen Karten keinerlei andere Dokumentation vorhanden ist, bleibt die Frage, weshalb bis heute von der Epoche 1290 bis 1545 keinerlei bezugnehmende habsburgische Urkunden vorliegen. Haben Sie eine plausible Erklärung hierfür?
Windisch: Diesbezüglich kann ich mich nur auf die Auskunft der NÖ-Landesregierung berufen, die Eigentümer der besagten Karte von Wolfgang Lazius ist: Der Historiker Hr. Mag. Duschanek hat mir gegenüber die Meinung vertreten, daß diese Urkunden sehr wahrscheinlich existieren, sich in bayrischen Klosterarchiven befinden und diese bis heute nicht evaluiert wurden.
Burgenkunde: Abschließend möchte ich Sie noch fragen, wer Ihrer Meinung nach der Bauherr der„Stadt Ulm“ gewesen ist?
Windisch: Die Überlieferung nennt einen „Freiherrn Lederer“ als Eigentümer des Castrum. Obwohl ich für die Thesenbildung in drei Jahren mehr als 35 historische Bücher beigezogen habe, konnte ich nur in Erfahrung bringen, daß Herzog Albrecht I. von Habsburg zwei enge Vertraute als Feldmarschalls die Führung von Truppen gegen Ivan den „Rote Ritter“ übertrug. Einer war der Abt Heinrich von Admont, der andere der Secretarius Hermann von Landenberg. Beide befehligten nicht nur zeitgleich Truppen, sondern unterlagen auch mehrmals bei Kriegshändeln gegen Johann I., Graf von Güns-Güssing. Ich bin überzeugt, daß einer der beiden die Gründung der „Stadt Ulm“ beabsichtigte und Castrum Ulm, wie der Festungsbau vermutlich ursprünglich genannt wurde, erbaut hat.
Burgenkunde: Würden Sie uns Ihre persönliche Meinung mitteilen?
Windisch: Wenn ich von der Gründung der eigenen Pfarre ausgehe, dann würde dieser Sachverhalt für den Abt Heinrich von Admont sprechen, der seit 1286 auch Landeshauptmann des Herzogtums Steiermark und Bevollmächtigter von Herzog Albrecht I. gewesen ist. Für den Secretarius und Feldmarschall Hermann von Landenberg spricht jedoch seine Herkunft, das Schwabenland, wo sich die Stadt Ulm befindet.
Burgenkunde: Vielen Dank für das aufschlußreiche Gespräch, welches bei einer Sage begonnen hat und mit der Entdeckung eines habsburgischen Festungsbaus endete.
Windisch: Bei meinen Ausführungen bin ich von der Sinnhaftigtkeit und der Atmosphäre einer Sage ausgegangen: Darf ich Ihnen ein Foto vom „Kaffee und Restaurant zur Stadt Ulm“ überlassen? Dieses zeigt eine Gaststätte in Olbendorf aus dem Jahre 1927 und dient meiner Ansicht der Demonstration, daß eine Atmosphäre vor Ort durch Tradierung, auch wenn das ursprüngliche Ereignis schon längst in Vergessenheit geraten ist, viele Jahrhunderte überdauern kann.
Das Gespräch für Burgenkunde führte Hr. Markus Hauser.
Der Autor Dr. Helmut Windisch arbeitet
als Psychotherapeut
in freier Praxis in Wien. www.praxis-kathan-windisch.net
„Castrum Olber“
Ein Beitrag zu den Kampfhandlungen
der Güssinger Fehde, 1289
erschienen im Novum Verlag,
ca. 90 Seiten, Abb.
www.novumverlag.at - Rubrik „Novitäten“
- Rubrik „Sachbuch“
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